Entscheide dich: Alignment oder Fokus!
Zwei der fünf Superkräfte von Objectives & Key Results (OKR) sind Fokussierung und Alignment.1 Fokussierung führt dazu, dass jeder in der Organisation weiß, welche Dinge gerade wichtig sind. Das Alignment ermöglicht die Zusammenarbeit über Hierarchie- und Silogrenzen hinweg.
Also ist es doch gut, wenn alle Mitarbeiter auf fokussierte Unternehmensziele ausgerichtet sind?
Der OKR-Experte Ian Harvey machte zu diesem Thema auf Twitter eine interessante Aussage, die mich zu diesem Gedankenblitz veranlasst:
Sie können dafür sorgen, dass jeder (Mitarbeiter*in) in Ihrer Organisation direkt auf ein OKR ausgerichtet ist, oder Sie können OKRs nutzen, um den Fokus zu verbessern. Sie können nicht beides zugleich erreichen!
You can ensure everybody in your organisation is directly aligned with an OKR or you can use OKRs to improve focus. You can’t have both.
— Ian Harvey 🇺🇦🏳️🌈 (He/Him) #blm (@ianharveyOT) September 17, 2021
Was bedeuten Alignment und Fokussierung in OKR?
Eine vollständiges Alignment führt dazu, dass alle Mitarbeiter und Teams ihre OKRs auf die Unternehmensziele (direkt oder indirekt) ausrichten. Und damit meine ich auch Service-Teams wie die HR oder die IT. Oder auch Teams, die sehr operativ im Tagesgeschäft stecken. Es gibt sozusagen keine weißen Flecken mehr in der Zielabdeckung. Alle ziehen an einem Strang.
Eine vollständige Fokussierung auf Unternehmensebene bedeutet, dass die Unternehmensziele sehr spezifische Veränderungen oder Herausforderungen adressieren. Fokus bedeutet nicht, dass die alle Mitarbeiter ein weniger zufrieden sind, sondern es werden exakt benannte Themen als Ziel formuliert.
Ein Beispiel aus der Urzeit der OKRs aus dem Jahre 1980
Dazu ein Beispiel aus der Urzeit der OKRs der Firma Intel. Ich wähle dieses Beispiel bewusst, weil es zeigt, wie fokussierte Unternehmens-OKRs formuliert werden können und sich das Beispiel wohltuend von so manchen Wellness-OKRs (Entschuldigung) von heute abhebt:
Unternehmens Objective:
- Etabliere den 8086 (damals neu) als eine Familie der leistungsfähigsten 16-Bit Mikroprozessoren überhaupt und messe das durch … Unternehmer Key Results:
- Entwickle 5 Benchmarks, die die Überlegenheit der eigenen Architektur zeigen (Anwendung)
- Vermarkte den 8086 als Prozessorfamilie (Produktkategorie) (Marketing)
- Nehme die Produktion der 8MHz Variante auf. (Produktion)
- Stelle ein Muster des arithmetischen Co-Prozessors (Entwicklung)
Hätten diese Ziele damals eine Relevanz für den Support, für die Personalentwicklung oder andere nicht direkt adressierte Bereiche, gehabt?
Ich würde sagen: nein. Diese Service-Bereiche könnten, wenn überhaupt, nur einen unwesentlichen Beitrag leisten. Sie wären daher besser beraten, eigene OKRs oder, Entschuldigung, keine OKRs zu entwickeln.
Das Spannungsverhältnis zwischen Fokus und Alignment
Wenn du eine Ausrichtung aller Teams auf die Unternehmensziele haben willst, entsteht ein Spannungsverhältnis:
- Du formulierst die Unternehmensziele so breit und allgemein, sodass sich jeder darin wiederfindet und seine Ziele ausrichten kann. Dann sind zwar alle „aligned“, aber es fehlt der Fokus. Und dieser Fokus fehlt auf allen Ebenen.
- Oder du hast stark fokussierte Unternehmensziele, die wiederum dazu führen, dass viele OKRs aus nicht betroffenen Bereichen eher Feigenblätter oder Vanity-OKRs sind. Das sind OKRs, die vielleicht schön zu lesen sind, aber keinen Wertbeitrag auf die Unternehmensziele leisten.
Also zusammengefasst: Stark fokussierte Unternehmensziele erschweren ein Alignment im gesamten Unternehmen, während breite allgemeine Unternehmensziele zu einer schlechten Fokussierung einzelner Teams führen, aber möglicherweise die Zusammenarbeit fördern.
Gut, und was folgt daraus?
Meine Sicht: Fokus vor Alignment
Das Alignment ist kein Selbstzweck. Es nicht hilfreich, alle Teams im Unternehmen auf Unternehmensziele auszurichten, wenn diese Unternehmensziele das nicht erfordern.
Meine Meinung ist ganz klar: Fokus vor Alignment.
Zunächst benötigst du klar fokussierte Ziele, und zwar auf jeder Ebene, auf der du mit OKRs arbeitest. Gerade auf der Unternehmensebene muss messerscharf klar sein, was gerade „Phase“ ist. Das heißt ja nicht, dass alles andere liegen bleibt. Es heißt aber, dass die Themen, die jetzt fokussiert bearbeitet werden müssen, abgegrenzt sind.
Erst danach erfolgt ein Alignment. Jetzt können die von den Zielen betroffenen Teams und Einheiten schauen, wie sie gemeinsam die fokussierten Unternehmensziele stemmen können.
In dem oberen Beispiel von Intel wären die Software-Teams, das Marketing, die Entwicklung und die Produktion stark von den Zielen betroffen. Diese Teams müssen an einen Tisch.
Unabhängig von den Unternehmenszielen, sollte jede Einheit auch für sich überlegen, was ihre eigenen Fokusziele im anstehenden Zyklus sind. Daher gilt auch hier die Fokussierung, insbesondere in den Service-Teams?
Die Frage lautet auf jeder Ebene: Was ist unser größtes Business-Problem? Und die Antwort auf diese Frage darf gerne auch überhaupt nichts mit den Unternehmenszielen zu tun haben.
Zusammengefasst
Ein Grund, warum OKRs aktuell so populär sind, ist die Verbesserung der Fokussierung und der gemeinsamen Zusammenarbeit in Organisationen. Dafür stehen Fokus und Alignment. Aber ähnlich, wie beim magischen Dreieck im Projektmanagement, stehen Fokus und Alignment in einem Spannungsverhältnis.
Du kannst OKRs sehr wohl dazu nutzen, die Zusammenarbeit zu verbessern oder du nutzt sie zur Fokussierung auf spezifische Businessprobleme.
Unabhängig von meiner Empfehlung bleibt es deine Entscheidung, was gerade in deinem eigenen Kontext wichtiger ist. Wähle mit Bedacht!
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Die 5 Superkräfte von OKR sind F.A.C.T.S.: Focus, Alignment, Commitment, Tracking und Stretching ↩︎