Fünf Gründe, aus denen du niemals OKR einführen solltest

Das Interesse am Framework Objectives & Key Results (OKR)1 hat in den letzten 18 Monaten rapide, ja fast schon exponentiell, zugenommen. Ich sehe aber auch, dass OKR bei vielen Organisationen nicht richtig zum Fliegen kommt. Bei Nachfrage höre ich regelmäßig einer der fünf schlechtesten Gründe, OKR einzuführen. Das ist für mich eine gute Gelegenheit, diese gefährlichen Motivationen vorzustellen, sie zu überführen und dir einige Tipps mit auf den Weg zu geben. Viel Spaß!

Grund 1: Du nutzt OKR, weil es Google macht

Einer der häufigsten Gründe, warum OKR in Unternehmen auf Interesse stösst, ist, dass erfolgreiche Digitalkonzerne es vormachen: Google, LinkedIn, Zalando, SAP, “you named it“.

Letztens habe ich sogar gelesen, dass OKR eine „Wunderwaffe“ wären, was ganz schreckliche Assoziationen in mir weckt.

Du bist nicht google

Die Wahrheit ist doch folgende. Alle betreiben OKR sehr unterschiedlich und aus sehr unterschiedlichen Gründe. Und das sind mit Sicherheit nicht deine Gründe. Ein Beispiel dafür ist, dass Google heute OKR völlig anders macht, als es John Doerr in seinem Buch beschrieben hat.

Die Wahrheit ist recht einfach: Du bist nicht Google.

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Mein Tipp

Das Kopieren einer Methode als Blaupause für den eigenen Erfolg scheitert, wenn der Kontext unklar ist. Jedes Unternehmen ist individuell und hat seine eigenen Herausforderungen.

Eine Methode allein macht dein Unternehmen nicht besser.

Vor der Einführung von OKR benötigst du ein Problem oder eine Strategie, bei dem OKR als Methode nützlich sein kann. OKR ist kein Betriebssystem, das alle Prozesse im Unternehmen regelt. OKR dient der Zusammenarbeit zur Umsetzung ambitionierter Vorhaben.

Oder anders gesagt: Wenn du keine Vision und keine Strategie hast, mache kein OKR!

Grund 2: Du nutzt OKR, weil es einfach ist

OKR ist einfach erklärt: Die Teams formulieren selbstorganisiert Ziele, die wiederum auf die Unternehmensziele einzahlen. Alles ist transparent und wird agil in schnellen 90 Tage Zyklen durchgeführt. Alles wirkt vertraut. Ist das nicht so ähnlich, wie Scrum? Nur eben für alle?

Höre auf Boromir: Man macht nicht einfach so OKR.

OKR einfach erklärt und bleibt in der Umsetzung eine Herausforderung:

  1. OKR dient der Umsetzung eines wichtigen Vorhabens. Ich nenne es auch ein „Wild Important Goal (WiG). Wenn kein dringender Anlass besteht, wirst du mit OKR scheitern. Egal, auf welcher Ebene du mit OKR unterwegs bist.
  2. Die Formulierung guter Ziele ist eine Kunst, die erlernt und kultiviert werden muss. Gerade in den ersten OKR Zyklen sind Rückschläge und Erkenntnisse vorprogrammiert.
  3. OKR erfordert einen Veränderungsprozess. Und dieser ist mit einer Kosten- und Nutzenerwartung verbunden. Die gute Nachricht ist, die Nutzenerwartung kann selbst mit OKR formuliert werden.
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Mein Tipp

OKR ist wirksam, wenn die Voraussetzungen stimmen: Es gibt ein dringendes zu lösendes Problem und die Bereitschaft, den damit verbundenen Einführungsprozess zu begleiten und auszuhalten.

Einfachheit als Argument reicht nicht, denn OKR wird dann einfach nur zur Bürokratisierung beitragen. Und das möchtest du nicht.

Grund 3: Du nutzt OKR, um mehr Kontrolle zu haben

Viele reden von Transparenz. Und OKR propagiert selbst die Transparenz als eines der wichtigsten Prinzipien. Jedes Team soll die Ziele aller anderen Teams im Unternehmen kennen.

Aber warum ist Transparenz wichtig und hilfreich?

Auf diese Frage sehe ich oft Antworten von Tool-Herstellern:

  • Die Transparenz dient dazu, weiße Flecken im Alignment zu finden.
  • Die Transparenz zeigt, wie groß das Engagement der Mitarbeiter ist. Wer macht bei OKR mit, wer nicht?
  • Und auch das gehört zur Wahrheit: Welche Teams erfüllen ihre Ziele und welche nicht? Wo muss ich als Chef vielleicht intervenieren?

So wird die Transparenz zur Hintertür für ein weiteres Kontrollinstrument. Jetzt buchen die Mitarbeiter nicht nur auf Projekte oder die Ziele des Performance-Managements, sondern auch noch auf OKR. Hilfe!

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Mein Tipp

Transparenz dient nicht der Kontrolle.

Transparenz ist kein Selbstzweck.

Transparenz dient einzig und allein der Kommunikation!

Es geht darum, dass die Ziele in der Organisation bekannt sind und jeder weiß, worauf sich der andere gerade fokussiert.

Es gilt grundsätzlich die Prime-Direktive alle Zielsysteme auch für OKR: Nutze OKR niemals zum Leistungskontrolle der Teams.

Allein der Gedanke daran vollzieht Goodhart’s Law

Grund 4: Du hast das Buch von John Doerr gelesen

Der OKR Experte Paul Niven2 berichtete, dass das Buch von John Doerr „Measure what Matters“3 für viele Entscheider der Grund war, OKR im eigenen Unternehmen einzuführen. Das erscheint mir als plausibel, das Buch ist ein echter Page-Turner.

Measure what Matters by Rick Kettner

Ich stehe dem Buch mittlerweile kritischer gegenüber: John Doerr widerspricht sich in dem Buch, einige Beispiele sind im Sinne der Wirkungsorientierung schlecht gewählt und die Herausforderung zur Einführung von OKR werden nicht groß thematisiert. Alles scheint ganz einfach zu sein.

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Mein Tipp

Wenn du an OKR interessiert bist, lese auf jeden Fall ergänzende Bücher. Ich kann das Buch „Radical Focus, 2nd Edition“ von Christina Wodtke empfehlen4.

Ein zweites empfehlenswertes Buch ist der “OKR Field Guide” von Ben Lamorte5, wenn du selbst Organisationsentwickler oder OKR Coach bist.

Grund 5: Du willst mit OKR die Produktivität steigern.

Einer der Punkte, in denen sich OKR von klassischen Zielsystemen stark unterscheidet, sind die ambitionierten Ziele, die sogenannten Moonshots, die 10X Ziele.

Warum nicht nach den Sternen greifen und die ganz großen Dinge bewegen? Warum nicht einfach mal richtig groß denken, so wie beispielsweise Elon Musk?

Produktivität kommt nicht durch große Ziele, sondern durch Rahmenbedingungen, die große Ziele erlebbar machen

Große Ziele setzen mehr Energie und Produktivität frei, so behauptet es zumindest die Erfolgsliteratur.

Aus meiner Sicht ist das ein Irrglaube. Kein Zielsystem der Welt, holt mehr Produktivität aus den Mitarbeitern raus, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen.

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Mein Tipp

Nicht die großen Ziele, sondern die guten Rahmenbedingungen helfen dir.

Ambitionierte Ziele sind gut, gute Rahmenbedingungen zur Entfesselung der Kreativität und Motivation der Menschen sind besser.

Gebe den Könnern, Machern und Verrückten ihren Freiraum für exzellente Arbeit. Nutze die Moonshot-Ziele, um diese entfesselte Energie jetzt in die richtige Bahn zu lenken.

Delegiere nicht Aufgaben, delegiere die Verantwortung an das Team.

Der eine Grund, warum du mit OKR arbeiten sollst

Nachdem ich mich über fünf Gründe ausgelassen habe, warum du auf keinen Fall OKR einsetzen solltest, möchte ich den entscheidenden Grund nennen, warum du es dennoch tun solltest.

Wenn du ein unternehmerisches Problem lösen willst, wenn du ein ambitioniertes Produkt entwickelst, wenn eine wichtige Veränderungsinitiative ansteht, dann nutze unbedingt OKR. OKR ist eine Umsetzungsmethode.

Der eine Grund. Mache die Menschen erfolgreich, in dem du echte Probleme löst

Der Zauber von OKR liegt darin, dass viele Menschen gemeinsam im kleinen oder großen Maßstab zusammen an einem großartigen Ziel arbeiten können.

Der Zauber von OKR liegt darin, dass OKR eine unfassbar gute Methode sind, um das Denken zu schärfen, um Thesen zu validieren und wahnsinnige Experimente zu wagen.

Und vielleicht ist das die eigentliche „Secret Sauce“ von OKR: Mit einer klaren strategischen Vision und dem damit verbundenen Durchhaltewillen, wird OKR dein unschätzbarer Freund und Gehilfe sein.

Und so, kannst du jede OKR Einführung zu einem guten und sinnvollen Ergebnis führen. Stelle dich gemeinsam mit deinen Mitstreitern den wahren Problemen und löse sie mit OKR.

Stay foolish, stay wild!

Falls du Fragen hast oder einfach nur den Austausch suchst, nehme gerne und unverbindlich Kontakt mit mir auf.

Eines noch, ich habe meine OKR Checkliste und den OKR Working Agreement Canvas besser zugänglich gemacht. Hier geht es zum Download!


  1. Wenn ich hier von OKR rede, meine ich das gesamte Framework OKR mit seinen Rollen, Prozessen und Artefakten. Die OKR-Sets bezeichne ich entweder als OKRs oder OKR-Sets. ↩︎

  2. Paul Niven ist bekannter OKR Experte und hat zusammen mit Ben Lamorte das Buch „Objectives & Key Results“ geschrieben, das ich sehr empfehlen kann: https://www.genialokal.de/Produkt/Paul-R-Niven-Ben-Lamorte/Objectives-and-Key-Results-Driving-Focus-Alignment-and-Engagement-with-OKRs_lid_29558422.html ↩︎

  3. Hier geht es zum Buch von John Doerr: https://www.genialokal.de/Produkt/John-Doerr/OKR_lid_35463403.html ↩︎

  4. Hier findest du das Buch von Christina: https://www.genialokal.de/Produkt/Christina-R-Wodtke/Radical-Focus-SECOND-EDITION_lid_44937913.html ↩︎

  5. Ich liebe den OKR Field Guide von Ben Lamorte: https://www.genialokal.de/Produkt/Ben-Lamorte/The-OKRs-Field-Book_lid_45447564.html ↩︎

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