OKR Podcast #13: OKRs sind keine Zahnfee - Ein Gespräch mit Judith Braun
Mit der Einführung von Objectives & Key Results (OKRs) sind manchmal übertriebene oder falsche Erwartungshaltungen verbunden. Nach der Lektüre von John Doerr’s Buch mit dem Titel “Measure What Matters: OKRs: The Simple Idea that Drives 10x Growth” könnte man meinen, alleine durch die Einführung von OKRs verwandelt sich dein Unternehmen in ein zweites Google. Doch auch sehr gute Methoden bewirken keine Wunder und sie sind auch keine “Zahnfee”.
Daher habe ich mich sehr gefreut, dass ich mich mit Judith Braun, die bei der Deutschen Telekom die digitale Transformation im Kommunikationsbereich begleitet, über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten von OKRs unterhalten konnte.
Über Judith Braun
Judith Braun begleitet bei der Deutschen Telekom die digitale Transformation im Kommunikationsbereich. Als erfahrene Organisationsentwicklerin hat sich Judith ein umfassendes Spektrum an Methodenkompetenz aufgebaut. Judith Braun bezeichnet sich selbst als Methodenjunkie und -agnostikerin in einer Person. Das bedeutet für Judith, dass bei aller Begeisterung, immer die Wirkprinzipien und der jeweilige Kontext einer Methode im Vordergrund steht.
Unsere Themen
- Judith Braun stellt sich vor.
- Die Blumenwiese der Ideen und die Gießkanne der Möglichkeiten.
- Mythen und Realitäten bei der Einführung von OKRs.
- OKRs sind “nur” eine Brücke der Strategie zu den Maßnahmen.
- Wie kann ein Momentum zur Verbesserung in einem funktionierenden System geschaffen werden?
- Was hilft bei der Einführung von OKRs?
- Kombination von OKRs mit Tagesgeschäft und KPIs.
- Tipps von Judith Braun für andere OKR Coaches.
Was macht Judith Braun?
Ich bin Judith, wohne im Rheinland, in der Nähe der Firma, für die ich 25 Jahre arbeite. Aber wenn man bei einer Firma arbeitet, die sich von einer Behörde zu einer Aktiengesellschaft verändert hat, dann ist das eine spannende Reise und die hat mich auch geprägt. Ich bin jetzt angekommen in der Unternehmenskommunikation. Angefangen habe ich in der Vertriebskommunikation und bin damals mit Kundenberatern rausgefahren. Im Laufe der Zeit habe ich ein Faible für Methoden und Formate entwickelt.
Was zeichnet dich aus?
Ich bezeige mich als Methodenjunkie, weil ich alles aufsauge, was es methodenmässig so gibt. Und ich habe auch die Möglichkeit, dieses Wissen anzuwenden. Als Fazilitator nutze ich diese bei den Kommunikationslotsen, Working out Loud oder beim Design Thinking. Wenn ich eine Methode einigermaßen verstanden habe, werde ich zum Agnostiker. Dann rippe ich die Methode runter zu den grundlegenden Prinzipien und ab dann geht es agnostisch weiter. Dann kann ich mit der Frage umgehen: Was ist das Problem und was wäre eine passende Methode dazu. Alle Methoden liefern spannende Haltepunkte. Einige Haltepunkte zupfen am Ärmelchen und sagen, pass auf und andere führen zu bestimmten Denkschulen.
Welche Prinzipien von OKRs helfen dir im Besonderen?
Als Erstes fällt mir das Prinzip der Transparenz ein. Jeder weiß, wer an welchem Thema gerade arbeitet.
Das Prinzip des Fokus ist schwierig für den Anfang aber maximal relevant. Ich benutze dazu gerne folgendes Bild. Eigentlich mangelt es nie an Ideen. Man hat vor sich eine große Blumenwiese von Ideen aber man hat keinen Wasserschlauch für jede Blume. Ich habe am Ende der Gedanken nur eine Gießkanne für die ganzen Ideen der Blumenwiese. Ich frage mich also, welche 5 Blumen bringe ich durch den Sommer. Das ist ein Bild das zeigt, dass die Ressourcen begrenzt sind und eine gewünschte Auswirkung oder Impact nur durch Fokussierung erreicht werden kann.
Dann ist da noch das Alignment oder die Ausrichtung! Wenn man jeden Mitarbeiter dafür gewinnt, in die gleiche Richtung zu rudern, dann könnte jedes Unternehmen Marktführer werden. Die größte Illusion in der Kommunikation ist, sie habe bereits stattgefunden. Wirklich einmal mal auszusprechen: Haben wir wirklich alle dieselbe Idee von Erfolg? Das wird über Alignment schön sichtbar.
Dann finde ich das Experimentieren in kleinen Zyklen wichtig. Denke groß und breche aus gewohnten Pfaden aus. Es geht bei OKRs nicht um Business as Usual. Es darf auch mal der große Moonshot sein.
Welche Erfahrung hast du mit der Einführung von OKRs gemacht?
Das Buch von John Doerr liest sich wahrscheinlich insbesondere für Gründer wunderbar. Du führst OKRs ein und wirst das nächste Google. Das Buch von Doerr ist wichtig, aber ich empfehle auf jeden Fall das Buch Radical Focus von Christina Wodtke. Dort steht, dass die ersten Zyklen zunächst erst einmal zu Lernerfahrungen führen.
Alle werden aber erst einmal auf die Nase fliegen. Es wird kein leichter Ritt, vor allem im ersten Jahr nicht. Diese 2 Fragen, wo will ich hin und wie messe ich das, dass ich da bin. Diese Fragen klingen so einfach. Aber die beiden Fragen treffen auf ein maximal komplexes System. Was klar sein muss, die Zeremonien von OKR können nur Haltepunkte bieten, Stolpersteine. Es ist wie beim Vorsatz, mehr Sport zu machen: “Ach Mist, ich hatte mir doch vorgenommen täglich zu joggen”. Die Methode hat Haltepunkte, wo sie das System der Organisation zwingt, sich mit den OKRs auseinanderzusetzen. Das generiert immer wertvolle Gespräche.
Was sind unsere Erfolgstreiber? Diese Fragen werden nur über gute Gespräche beantwortet. Das ist ein wenig wie die Schwiegermutter, die den Teppich hochhebt und sagt: “Oh, da ist ja Staub drunter”. Oder man hat das Stand-up und sagt: Ja, mit der Frage setze ich mich auseinander. Und jetzt erkenne ich, wie wertvoll das ist.
Was sind deine Lessons Learned?
Ein Haltepunkt für uns war das Thema Tools. Mit welchem Tool machen wir das? Nutzen wir ein OKR-Tool oder ein bestehendes System. Die Leute sind müde, was solche Dinge angeht.
Dann finde ich es wichtig, dass man als Agile Coach methodisch breit aufgestellt ist. Ich habe festgestellt, dass für einen richtig guten Workshop von Vorteil ist, wenn man über breite Methodenkenntnisse verfügt. Beispielsweise hilft mir in der Planung von OKRs das Design Thinking. Und es ist wichtig, ein Problem ins Positive zu setzen.
Eine Herausforderung ist das Thema “Sense of Urgency”. Change-Manager sind eigentlich sehr dankbar für Krisen und Nöte. Dann haben sie es einfach und können den Grund der Veränderung einfach plausibel machen. Schwieriger ist es, wenn wir ein funktionierendes System haben, und alles gut läuft. Das ist bei uns eigentlich der Fall. Und dann trotzdem zu sagen: das Bessere ist des guten Feind.
Eine Methode oder Veränderung ist immer ein Invest. Da lohnt es sich wirklich genau hinzuschauen. Oft gibt es eingefahrene Work-Arounds, die verändert werden können. Und für wen sind deine Ergebnisse wichtig. In großen firmen solltest du dich fragen: Wer sind meine Anspruchsgruppen? Ist dass der Nachbarbereich, ein interner Kunde, ein Partner in Crimes? Wir sind eigentlich in einer Schicksalsgemeinschaft, um den Kunden zu beglücken. Wer ist in der Wertschöpfungskette drum rum.?
Wo siehst du weitere Chancen in der Nutzung von OKRs?
Was bei OKR wirklich gut funktionieren kann ist, dass ich nicht mehr die Abteilungssilos betrachten muss, sondern diese auflösen kann. Eine wichtige Idee von OKRs ist es, den wahren Circle of Influence (Einflussbereich) bei Mitarbeitern oder Teams bewusst zu machen. Das ist ein weiteres spannendes Thema.
Das sind die Tipps von Judith Braun
Das sind die Tipps von Judith zur Nutzung von agilen Methoden und insbesondere OKRs in deinem Unternehmen.
- Tipp, habe immer einen Spürsinn für einen konkreten Mehrwert.
- Bilde ein realistisches Szenario. Am Anfang ist nicht alles einfach.
- Lasse Gutes zur Gewohnheit werden. Am Anfang braucht es noch regelmässige Haltepunkte.
- Mache Erfolge schnell sichtbar. Für uns war es beispielsweise die Transparenz, die sehr viel in der Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen bewirkt hat.
Weiterführende Links
- Hier findest du Judith Braun bei Twitter (@inklusiv) und auf LinkedIn.
- Unsere Buchtipps: Radical Focus von Christina Wodtke (engl.) und “OKR: Objectives & Key Results, Wie Sie Ziele, auf die es wirklich ankommt, entwickeln, messen” 1
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Der völlig misslungene Buchtitel zeigt schon, dass es besser ist das amerikanische Original zu lesen. ↩︎