Die Geschichte von Julia & Klaus oder Warum erst interessante Probleme zum Erfolg mit OKR führen

Der Kern vom Kern von OKR: Interessante Probleme

Was ist der eigentliche Kern vom Kern des agilen Zielsystems Objectives & Key Results? Sind es die vier Superkräfte, die John Doerr in seinem berühmten Buch zu OKR beschreibt1? Oder sind es die 6 Prinzipien zu OKR, die ich in meinem Artikel beschrieben habe?

Wenn ich OKR konsequent zu Ende denke, dann ist OKR ein Framework für das kritische Denken in Organisationen. Und der Kern vom Kern von OKR, ist aus meiner Sicht die kontinuierliche Identifizierung von interessanten und wichtigen Problemstellungen für Teams und Menschen in einer Organisation. Aus dieser Perspektive heraus betrachtet, ist OKR vielleicht so etwas wie ein Framework zur Findung und Lösung der richtigen Probleme.

Warum ich zu dieser Auffassung gelangt bin, erläutere ich dir anhand der Geschichte von Julia & Klaus.

"Der Kern vom Kern von Objectives & Key Results ist die Identifizierung von interessanten Problemstellungen"

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Die Geschichte von Julia & Klaus

In meiner Geschichte geht es um Klaus, dem Marketing-Chef und Julia, dem OKR Coach. Beide arbeiten in einem erfolgreichen mittelständischen Unternehmen. Klaus möchte dringend das Marketing des Unternehmens modernisieren und er hat auch schon eine Idee. Klaus brennt darauf, endlich ein Inbound-Marketing2 aufzubauen. Auf der anderen Seite steht Julia, die als OKR Coach den Teams bei der Nutzung von Objectives & Key Results zur Seite steht. Und jetzt beginnt unsere Geschichte.

Vom ersten Entwurf

Wir befinden uns in dem kleinen Besprechungsraum der Firma. Klaus stellt gerade an einem Whiteboard Julia sein erstes OKR vor.

Es sieht wie folgt aus:

Objective Wir bauen in drei Monaten ein Inbound-Marketing für unsere Webseite auf
KR1 Wir haben vier Buyer Personas3 erarbeitet.
KR2 Wir haben 15 Blog Artikel geschrieben.
KR3 Wir haben unsere Webseite angepasst und durch zwei Agenturen geprüft.

Klaus: “Das ist unser erstes OKR. Wir müssen dringend ein Inbound-Marketing aufbauen. Und in den Key Results haben wir die wichtigsten Ergebnisse dazu formuliert.”

Julia: “Das OKR beschreibt sehr gut, was ihr in eurer Abteilung erarbeiten wollt. Was mir momentan noch ein wenig fehlt, ist das Wozu? Vielleicht gelingt es uns, das Wozu deines OKRs noch weiter zu schärfen.”

Kurze Unterbrechung, bevor es weiter geht: Ein derartiges OKR treffe ich in meiner Praxis häufiger an. Sowohl das Objective, als auch die Key Results von Klaus, sind eigentlich Aktivitäten. Das OKR beschreibt eher Arbeitsergebnisse und gibt nur wenig Aufschluss über die dahinter stehende Absicht. Daher finde ich die Frage von Julia nach dem “Wozu?” sehr hilfreich. Lese aber jetzt weiter.

Klaus: “Gut, fangen wir an.”

Julia: “Klaus, ich stelle jetzt eine Reihe von Fragen, die dir möglicherweise naiv vorkommen werden. Habe daher ein wenig Geduld mit mir.”

Klaus: “Kein Problem Julia, frage einfach, was du möchtest.”

Julia: “Was macht das Inbound-Marketing für euch so wichtig, Klaus?”

Klaus: “Nun, wir möchten neue Leads4, also gute Kundenkontakte, für den Vertrieb generieren. Uns interessieren besonders die Kundenkontakte für eine neue Kundengruppe, die wir jetzt verstärkt angehen wollen.”

Julia: “Also ist das hinter dem OKR stehende eigentliche Problem, das der Generierung neuer Leads für eine neue Kundengruppe? Habe ich das richtig zusammengefasst?”

Klaus: “So gesehen, ja.”

… zur neuen Problembeschreibung

Julia schreibt neben dem ersten Entwurf von Klaus ein neues Objective an die Wand:

Objective Wir wollen Leads für unsere neue Kundengruppe gewinnen

Klaus: “Moment mal Julia, da steht aber jetzt nichts mehr vom Inbound-Marketing? Das ist mir schon wichtig!”

Julia: “Richtig! Die Idee dabei ist, dass wir zunächst das zu lösende Problem beschreiben. Die Instrumente zur Lösung des Problems, die gehören euch weiterhin. Das ist eure Expertise. Habe ein wenig Geduld!”

Klaus: “Also gut Julia, machen wir weiter.”

Julia: “Woran können wir die erfolgreiche Lösung dieses Ziels erkennen?”

Exakte Werte sind beim Design von Key Results zunächst nicht wichtig

Klaus: “Na ja, in Folge unserer Arbeit sollte sich die Anzahl der qualifizierten Kundenkontakte für unsere Zielgruppe erhöhen. Die Erhöhung der Leads dieser Gruppe wäre das wichtigste Ergebnis für uns.”

Julia: “Gut, ich versuche deine Aussage als Key Result zu formulieren.”

Objective Wir wollen Leads für unsere neue Kundengruppe gewinnen
KR 1 Die Anzahl der Leads unserer neuen Kundengruppe erhöht sich von X auf Y

Julia: “Eines noch Klaus, wir lassen die konkreten Zahlen unserer Messgrößen zunächst einmal weg. Die könnt ihr später noch einsetzen. Wichtiger ist es jetzt, dass wir die Stellen erkennen, an denen wir euren Erfolg feststellen können.”

Klaus (ironisch): “Gut, aber Julia, nur mal so unter uns zwei Marketing-Experten: Die Kunden entscheiden immer noch selbst, ob Sie ein Lead werden wollen oder nicht. Ich kann sie nicht dazu zwingen. Was ich sagen will ist, dass wir diese Zahl nicht so gut beeinflussen können.”

Welches Problem müssen wir lösen, um für Kunden attraktiv zu werden?

Julia: “Das leuchtet mir ein, daher stelle ich weitere Fragen. Welches Problem müssten wir lösen, damit wir für eure Kunden attraktiv werden?”

Klaus: “Indem wir die richtigen Inhalte auf Basis eines guten Verständnisses der Probleme der Zielgruppe bereit stellen.”

Julia: “Welches Problem müssten wir lösen, damit wir zu einem wirklich exzellentem Kundenverständnis gelangen?”

*Klaus: “Na ja, dazu müssten wir die wichtigsten Aufgaben, Probleme oder Erleichterungen dieser Kunden sehr gut kennen.”

Julia: “Lass uns dieses Problem als KR formulieren.”

Objective Wir wollen Leads für unsere neue Kundengruppe gewinnen
KR 1 Die Anzahl der qualifizierten Leads unserer neuen Kundengruppe erhöht sich von X auf Y
KR 2 Wir kennen unsere neue Kundengruppe anhand der wichtigsten X Aufgaben, deren Y Probleme und/oder deren Z Erleichterungen in ihrer Arbeit!

In der Realität geht unsere Geschichte natürlich weiter, aber ich möchte hier stoppen. Du merkst, dass es Julia durch ihre Fragen gelingt, die eigentlichen Probleme zu identifizieren, die sich hinter den von Klaus formulierten Key Results verbergen. Schrittweise formulieren beide eine als OKR formulierte Aktivitätenliste hin zu einer interessanten Problembeschreibung mit messbaren Kriterien. Und genau diese Problembeschreibung kann das Marketing im nächsten OKR-Zyklus eigenständig lösen. In der Praxis geht es natürlich nicht so schnell, wie in diesem Dialog dargestellt. Die Entdeckung des richtigen Problems benötigt manchmal etwas Zeit. Und diese Zeit ist meiner Erfahrung nach, sehr gut investiert.

Der Kern vom Kern: Identifikation interessanter Probleme

Der Kern vom Kern von Objectives & Key Results ist die Findung von interessanten und der richtigen Problemstellungen. Erst interessante Probleme schaffen Lösungsräume, die wiederum die Selbstorganisation deiner Teams stärken. Erst OKRs, die als Problemstellung formuliert sind, führen zu Innovation und interessanten Experimenten. Und genau aus diesem Grund eignen sich OKRs auch als Instrument der Führung oder als Methode zur Organisationsentwicklung.

Nutze niemals OKRs zur Vorgabe einer Lösung

Der ehemalige Produkt Manager von Google, Itamar Galad, der unter anderem sehr erfolgreich an Google Maps und YouTube gearbeitet hat, bringt dieses Thema mit einer wichtigen Botschaft für Führungskräfte auf den Punkt:

“Erstelle keine Ziele, um das Team vor Fehlern zu schützen oder die zu einer Lösung zu führen. Gebe das gewünschte Ergebnis an das Team und überlasse es dem Team, selbst eine optimale Lösung zu finden.”

Diese Einschätzung sagt mehr über OKRs aus, als die meisten Prozessbeschreibungen und Methoden, die du zu diesem Thema im Internet finden wirst. Es geht exakt um den von Itamar beschriebenen Punkt: Die Beschreibung des richtigen Problems anhand der Beschreibung des gewünschten Ergebnisses".

Jetzt bekommst du eine Hausaufgabe

Jetzt bekommst du eine Hausaufgabe. Überlege selbst, wie weitere Key Results für das Problem von Klaus aussehen könnten. Welche Fragen würdest du stellen, wenn du Julia wärst? Wie kann der Fortschritt zur Erfüllung des OKRs während der Laufzeit besser erkannt werden?

Und noch eine Frage: Ist dir beim Lesen aufgefallen, wo die Methode von Julia zur Identifikation des richtigen Problems herkommt? Ich verrate das an dieser Stelle noch nicht, aber vielleicht fällt es dir ein.

Bitte schreibe deine Ideen oder dein Feedback als Kommentar unterhalb dieses Artikels.

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Übrigens, wusstest du, dass ich zum Thema Objectives & Key Results einen interessanten Podcast habe?

Ich würde mich sehr freuen!


  1. Hier ist die deutsche Übersetzung des Buches von John Doerr, welches OKR als Methode international bekannt gemacht hat: (* Link) ↩︎

  2. Beim Inbound-Marketing geht es darum, potenzielle Kunden mit relevanten und hilfreichen Inhalten auf dein Unternehmen oder Produkt aufmerksam zu machen. Das kann über deine Website, deinen Blog oder andere Aktivitäten, wie auf Social Media erfolgen. ↩︎

  3. Der Begriff “Buyer Persona“ beschreibt einen typischen Vertreter der eigenen Zielgruppe. Mit Hilfe von gesammelten Daten wird eine fiktive Person erstellt, die den potenziellen Käufer detailliert beschreiben soll. ↩︎

  4. Ein Lead (Mehrzahl Leads ) ist eine Begriff aus dem Vertrieb/Marketing und beschreibt eine Kontaktanbahnung und/oder Angabe von Kontaktinformationen durch einen potenziellen Interessenten. Von einem „Qualified Lead“ spricht man, wenn ein potenzieller Kunde sein Interesse bekräftigt (entsprechend einer noch unverbindlichen Kaufabsicht). ↩︎

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